Herr Bombelmann und der aufziehende Nebel
… Das Ungeheuer, das im See wohnen sollte und von dem die Leute hier erzählten, war also gar kein Ungeheuer. Es war der Fürst, der in Nebelnächten auftauchte und für Schrecken sorgte. Herr Bombelmann stand auf, um die Wanderung um den See fortzusetzen. Schließlich wollte er am Abend wieder im Hotel bei den Anderen sein und ihnen berichten.
Während er lief war es, als könne er den Blick nicht vom See wegnehmen. Immerzu starrte er auf das Wasser und versuchte in der Tiefe die Spitzen der Türme zu erkennen. Doch dies war nur in einer klaren Vollmondnacht möglich. Obwohl es bereits zu dämmern begann, war Herr Bombelmann gerade einmal zur Hälfte um den See gelaufen. Hatte er so lange mit dem Alten zusammengesessen? Der Mond schob sich in voller Größe an den Himmel. Es war eine jener Nächte, in der…
Herr Bombelmann begann zu rennen, so schnell er konnte wollte er sein Auto erreichen.
Das Wasser ließ mit unheimlicher Ruhe geheimnisvolle Schwaden aus Nebel entstehen. Sie stiegen auf, zogen lautlos herüber und verteilten sich im ganzen Gebiet.
Besser würde es vielleicht sein, die Wege zu verlassen und über die Wiesen durch das Gebüsch zum Parkplatz zu gelangen, nicht direkt am See entlangzulaufen. Herr Bombelmann eilte sicherheitshalber den nächstbesten Hügel hinauf, um nicht Opfer des grausamen Fürsten zu werden, wie der Alte ihm erzählt hatte.
Hier oben war ein kleiner Wald, dessen Bäume das herabfallende Licht des Mondes schluckten und die Nacht unangenehm schwarz werden ließen. Es war, als würde der Nebel in die Dunkelheit folgen. Er stieg hinauf und legte sich unbeschreiblich dicht und schwer zwischen die Bäume. Außer weißen Nebelschwaden war nichts mehr zu sehen.
Herr Bombelmann schritt vorsichtig weiter, denn er konnte nicht genau erkennen, wohin er seine Füße setzte. Mal knackte ein Ast unter seinem Gewicht, mal blieb er an einem Strauch hängen, mal hielten ihn Dornen fest. Dennoch glaubte er, bald den Parkplatz und sein Auto erreicht zu haben, weit konnte es nicht mehr sein.
Die Stille der Nacht wurde plötzlich auseinandergerissen, Pferde schnaubten und eine tiefe, bedrohliche Stimme rief: „Halt! Ich rieche Menschenfleisch. Frisches Menschenfleisch. Riecht ihr es auch?“ Die Stimme war nicht sehr nah, aber auch nicht weit weg. „Es kommt von dort drüben!“
Herr Bombelmann war zusammengezuckt. Hatte er vorher noch gehofft, auf Reiter zu treffen, die ihm den Weg weisen konnten, wollte er sich jetzt lieber versteckt halten. Was er gehört hatte, machte ihm nicht gerade Mut. Er kauerte sich hinter einen Busch und traute kaum zu atmen.
Wieder hörte er die Stimme: „Wir sollten uns beeilen, bevor der Fürst vor uns zuschlägt! Schnell, zum See!“ Das Rascheln von Blättern und das Umknicken von Ästen war zu hören, das Geräusch von Gewändern, die wie bei einem schnellen Ritt flatterten, das Atmen von Pferden, das leise Klirren des Pferdegeschirrs – aber nicht die Schritte selbst. Keine Pferdehufe, kein Getrappel. Erneut rief diese Stimme: „Haltet ein! Der Geruch von Menschenfleisch wird schwächer, es kommt nicht vom See! Wir müssen in den Wald zurück, lasst uns dort suchen!“ Die Pferde wieherten und schrien, weil die Sporen schmerzten, die die Reiter in ihr Fleisch drückten. Das metallene Geräusch von aus den Scheiden gezogenen Schwertern drang durch die Nacht, Herr Bombelmann zuckte in sich zusammen. Das konnten nur Nebelreiter sein, die auf der Suche waren nach armen Opfern, die sich im Nebel verspätet oder verirrt hatten, die noch nicht nach Hause aufgebrochen waren.